Der Schauspieler und Coach für Personalvorstände Michael Rossié erklärt, welche versteckten Informationen wir bei Vorstellungsgesprächen und in schwierigen Verhandlungen preisgeben.
Herr Rossié, nehmen wir einmal an, ich bin ein Stellenbewerber und rufe Sie als Personaler gerade an, um mich nach einem Job in Ihrem Unternehmen zu erkundigen. Was könnte meine Stimme Ihnen schon über mich verraten?
Wenn jemand sehr gestresst ist, dann tendiert die Stimme dazu, ungewöhnlich hoch und schrill zu sein. Jemand, der sich besonders profilieren möchte, säuselt eher. So sprechen zum Beispiel Führungskräfte, wenn sie von der Fortbildung kommen. Eine leicht näselnde Stimme wiederum könnte ein Indiz für großes Selbstbewusstsein sein. Die leichte Vibration im Kopf genießen arrogante Menschen ganz besonders. Jemand, der den Unterkiefer nicht aufbekommt, könnte etwas verbergen. Entweder wurde seine Meinung in seinem bisherigen Umfeld missachtet oder er hat ein paar Lücken im Lebenslauf. Es könnte sich aber auch um unterdrückte Wut oder Ärger handeln.
Woran kann ein Personaler erkennen, ob jemand wirklich so ist oder sich verstellt?
Am Telefon ist das natürlich schwieriger. Aber im Vorstellungsgespräch haben Personaler viel mehr Eindrücke. Wenn jemand zum Beispiel recht manieriert spricht, kann der Blick auf die Aktentasche einiges verraten: Ist die von Tumi, Prada oder eher eine praktische Variante von Eastpack. Auch Schuhe und die Kleidung sind wichtige Anhaltspunkte.
Was verrät die Körperhaltung?
Hält sich ein Bewerber übertrieben gerade, hat er gelernt, dass die Ausstrahlung wichtig ist. Aber möglicherweise können Sie sich mit diesem Menschen nicht so gut unterhalten, weil er die Arschbacken zusammenkneift. Menschen sollten ihre Körpersprache nicht trainieren, obwohl gerade das viele Trainer behaupten. Für das, was der österreichische Pantomime Samy Molcho sagt, gibt es bisher keinen wissenschaftlichen Beweis: Er geht davon aus, dass die Stimme, die Gestik und der Gang eine bestimmte Form annehmen sollten, damit wir entsprechend kommunizieren. Aber in einem stimme ich ihm zu: Der Körper kann nicht lügen. Das heißt, jemand der mir etwas vorspielt, kann eigentlich etwas anderes sagen als er verbal ausdrückt. Aber lügen kann er nicht. Dann sollte ich aus der Summe der Signale und Aussagen meine Schlüsse ziehen.
Könnten Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wenn der Personaler fragt: "Können Sie gut organisieren?" Dann könnte jetzt eine vorbereitete Antwort kommen - so in dem Sinne: "Selbstverständlich, das tue ich täglich und kann es hervorragend bewältigen". Ein guter Interviewer sollte dann nachfragen und Beispiele fordern. Dann merkt er schnell, ob die Fassade, falls es eine solche ist, in sich zusammenfällt.
Das ist eigentlich selbstverständlich, oder?
Im Grunde ja, aber das Problem dabei:Wir schauen und hören oft nicht richtig hin. Auch Personaler beschäftigen sich bisweilen mit sich selbst, anstatt das Gegenüber und seine Signale wahrzunehmen. Wenn jemand sagt, "Die letzte Stelle, die ich hatte, war eeeeecht super", dann höre ich, dass es nicht wirklich so gemeint ist. Denn das würde man sonst nicht dehnen. Wer nicht hinhört, hinschaut und nachfragt, verpasst versteckte Botschaften.
Viele Dinge nehmen wir aber doch auch unbewusst war. Der erste Eindruck entscheidet angeblich häufig schon über die Einschätzung des Gegenübers.
Ja, der erste Eindruck spielt eine große Rolle, und da können sich auch Personaler nicht gegen wehren. Es gibt immer mehr Managementtheorien, die empfehlen, diesem ersten Eindruck nachzugeben. Denn ob er berechtigt ist oder nicht: Führungskräfte müssen mit diesem Menschen unter Umständen zusammenarbeiten. Wenn ihr Bauchgefühl extrem dagegen spricht, sollten sie ihn nicht einstellen. Aber ich bin immer dafür, es anzusprechen, wenn einem etwas komisch vorkommt.
Sollte ein Bewerber es ansprechen, wenn er sehr nervös ist?
Auf jeden Fall, denn danach ist er viel entspannter und muss seine Nervosität nicht mehr verbergen. Außerdem wollen viele Personaler nervöse Bewerber. Wenn jemand nervös ist, dann ist es ihm wichtig. Wenn da jemand säße, nach dem Motto, ich habe noch zehn andere Jobangebote, da warte ich erst mal ab, hat der Personaler - womöglich zu recht - den Eindruck, jemand möchte den Job eigentlich gar nicht. Allerdings sollte der Kandidat das nur sagen, wenn es auch wirklich so ist. Sonst kann es schnell von der Stimmlage her geheuchelt rüberkommen.
Welche Rolle kann Schweigen im Bewerbungsgespräch spielen?
Viele Kandidaten fühlen sich irritiert, wenn der Personaler plötzlich nichts mehr sagt. Dann sollten sie aber auch einfach nachfragen: "Warum sagen Sie nichts mehr?" Denn das kann unterschiedliche Gründe haben: Der Personaler langweilt sich, er schweift gedanklich zu einem anderen Thema ab und merkt es gar nicht, er ärgert sich über etwas, das der Bewerber sagt oder er macht das mit Absicht, um den Bewerber zu prüfen.
Sie meinten zwar, Körpersprache sollte man nicht antrainieren. Gibt es trotzdem irgendwelche Tipps, wie man sich hinstellen oder hinsetzen sollte - beim Vorstellungsgespräch oder während einer Präsentation?
Einfach nicht auf irgendwelche Trainer hören! Wenn Sie vorne stehen und halten Ihre Hände im "neutralen Bereich", dann lachen wir uns alle kaputt und sagen: Der war gerade im Rhetoriktraining. Oder Sie verschränken Ihre Arme und dann fällt Ihnen ein, dass Sie das ja nicht tun sollen. Dann machen Sie sich lächerlich.
Damit spielen Sie auch auf Angela Merkel an, die Ihre Hände immer etwas gestelzt vor sich aufsetzt?
Ja, genau, der sogenannte Merkel-Igel. In jedem Kommunikationsseminar ist das der Lacher. Überflüssig sind auch solche Vorgaben wie Hände auf Gürtelhöhe im neutralen Bereich, nicht in die Hosentasche, Standbein - Spielbein, nicht die Beine überschlagen, gerades Rückgrat. Das signalisiert nur, dass jemand nicht seine eigene Meinung und seinen eigenen Kopf hat, sondern nur tut, was ihm jemand gesagt hat. Da bekommen Sie keine selbstbewussten Mitarbeiter, sondern Marionetten, die in Managementtrainings verbogen wurden. Das wollen Sie vielleicht in den unteren Lohngruppen, für Führungskräfte ist so etwas ungeeignet - zumindest für die meisten Unternehmen, die ich kenne.
Aber Schauspieler trainieren sich doch auch gewisse Haltungen für eine Rolle an.
Ein Schauspieler schafft es, Markierungen auf dem Boden zu sehen, Emotionen herzustellen, den Text zu kennen und den Partner anzuschauen. Das schafft ein "Normalsterblicher" nicht. Wenn sie die ganze Energie auf die Haltung und aufs Schöne-Antworten-Geben verwenden, können sie kein vernünftiges Gespräch mehr führen. Deshalb sollte man sich darauf konzentrieren, das Gegenüber mit spannenden Inhalten zu fesseln - dann fällt dem Zuhörer auch die Handhaltung nicht auf.
Wie kann man sich auf schwierige Gespräche vorbereiten?
Natürlich sollten Sie sich inhaltlich gut vorbereiten. Je mehr Sie wissen, desto leichter ist das Gespräch - ob im Vorstellungsgespräch oder bei anderen wichtigen Anlässen im Betrieb. Auf der Bühne ziehe ich gern Sachen an, in denen ich mich wohlfühle. Manchmal kaufe ich mir auch etwas Neues, wenn es ein schwieriger Vortrag ist. Außerdem sollte die Körperspannung möglichst niedrig sein. Nehmen wir an, Sie haben ein Vorstellungsgespräch, dann machen Sie am Vortag Autogenes Training, Yoga, haben guten Sex, schauen sich einen Film an, bei dem Sie Rotz und Wasser heulen oder machen Sie zwei Stunden Fitnesstraining und eine halbe Stunde Sauna anschließend. Und morgens vielleicht besser keinen Kaffee, denn normalerweise sind Sie aufgeregt genug.
Das Gespräch führte Stefanie Hornung.
Die Bezeichnung Certified Speaking Professional (CSP) ist eine international anerkannte Qualitätsauszeichnung für Speaker, die besonders hohe Anforderungen an Qualität und Quantität des Speaking erfüllen. Der Titel wird vom amerikanischen Dachverband der Speaker, der National Speakers Association verliehen. Michael Rossié wurde 2013 der zwölfte Deutsche mit diesem Titel. Weltweit sind ca. 10% aller Speaker CSPs.